Fränkische Nachrichten, 9. August 2008

Eine entrückte, ja jenseitige Stimmung gezaubert

Doppelchörig
In der Schlosskirche: Zwei beeindruckende Chöre präsentierten Werke aus vier Jahrhunderten

Bad Mergentheim. Mit einer eindrucksvollen Vorstellung mit Chorwerken aus vier Jahrhunderten, warteten zwei hochkarätige Ensembles, die Cappella Nova unter Leitung von Erhard Rommel und der von Bettina Kartak geführte Kammerchor Crailsheim in der zu diesem Anlass gut besuchten Schlosskirche auf.

Doppelchörigkeit prägte dieses Mal das Programm des von Kurpfarrerin Angelika Segl-Johannsen mit geistlichen Texten begleiteten Konzerts, und der spezielle Reiz, der aus dem "Wechselgesang" zweier im Raum verteilter Klangkörper entsteht, begünstigt durch die einheitliche Akustik des Kirchenraumes, ergab eine Verbindung von spirituellem und ästhetischem Erlebnis. Andererseits gab es auch eine Reihe von "einchörigen" Werken zu hören, und hier bot sich der Vergleich zwischen den durchaus unterschiedlichen Klangauffassungen der beiden Ensembles an, die sich auch in der Auswahl ihrer Stücke wiederspiegelte.

Zwischen dem im 16. Jahrhundert anhebenden frühbarocken Stil der "venezianischen Schule", der Epoche der Romantik bis zu der stilistisch vielgestaltigen jüngeren Vergangenheit und Gegenwart spannte sich das Spektrum der Kompositionen, die zwischen Lyrik und Dramatik, zwischen strenger Feierlichkeit und idyllischer Naturstimmung zahlreiche Ausdrucksfacetten aufwies.

Ein Erlebnis war der faszinierende Raumklang, den zwei alternierend eingesetzte Chöre zu erzeugen imstande sind, bei zwei barocken Kompositionen von Johann Pachelbel (1653-1706) und Hans Leo Hassler (1564-1612), dirigiert von Erhard Rommel und Bettina Kartak. Die expansive Helligkeit und Klangtransparenz, vor allem auch die sehr variable Dynamik in Pachelbels Motette "Singet dem Herrn" sorgten für eine glanzvolle Eröffnung, deren Niveau bei Hasslers schlichter Motette "Jubilate deo" nicht ganz gehalten wurde, da sich das Ungleichgewicht zwischen den hier räumlich getrennten Männer und den (sehr dominanten) Frauenstimmen doch etwas störend bemerkbar machte.

Den "Stereo-Effekt" von zwei Chören nutzte auch Franz Xaver Biebl (1906-2001) in seinem "Ave Maria", dessen "Call and Response"-Form (Wechsel von Solostimmen mit dem antwortenden Chor) und Harmonik ein wenig von afroamerikanischen Spirituals beeinflusst ist, eine süffig und wunderschön ins Ohr gehende Nummer, hier unter Leitung von Erhard Rommel.

Einen breiten Raum nahmen bei diesem Konzert die Einzelvorstellungen von Cappella Nova unter Erhard Rommel und dem Kammerchor Crailsheim unter Leitung von Bettina Kartak ein, wobei letzterer mit einem ausgeprägt lyrischen, klangmalerischen Vortrag zu beeindrucken wusste. Diese Qualitäten zeigten sich schon in den kammermusikalisch besetzten "Fünf Chorliedern" von Antonin Dvorak, echten kleinen Juwelen aus der Chorliteratur der Romantik, die von den Crailsheimer Sängerinnen und Sängern mit faszinierender Pianokultur und Sinn für pastellfarbige Klang-Stimmungsmalerei versehen wurden. Eine geradezu entrückte, jenseitige Stimmung mit leuchtenden Sopranen prägte dann den achtstimmigen Chorsatz "Denn er hat seinen Engeln befohlen" aus Mendelssohn-Bartholdys Oratorium "Elias", der zwei Chöre unter dem Dirigat von Bettina Kartak vereinte, sicherlich einer der Höhepunkte dieses Konzerts.

Geschärfter in den Konturen, mit stärkeren dynamischen Kontrasten und expressiver in der Text-Interpretation präsentierte sich dann Erhard Rommels Cappella Nova mit vier Stücken aus verschiedenen Epochen, wobei die religiöse Tiefe und Intensität in Bob Chilcotts (geb. 1955) "God so loved the world" und die ergreifende Feierlichkeit von Heinrich Kaminskis (1886 - 1946) Choral "Ich harre auf den Herrn" mit Sopransolo den Hörer wohl am unmittelbarsten ansprachen. Nicht so leicht zugänglich waren der Chorsatz "Libera me" des Ungarn Lajos Bardos (1899-1986) mit seiner herb-lapidaren, gemäßigt modernen, zwischen Beinahe-Sprechgesang und weiten kantablen Bögen wechselnden Tonsprache und Edvard Griegs "Im Paradeis" als Beispiel romantisch-empfindsamer, uns heute gefühlsmäßig eher ferne liegender Religiosität des 19. Jahrhunderts.

Machtvoll und imponierend erscheint immer noch Giuseppe Verdis "Pater noster" - Vertonung mit ihrer ausgepichten Dramaturgie und den spektakulären Steigerungen, hier wieder mit beiden unter Leitung von Erhard Rommel vereinten Chören einen weiteren mitreißenden und klanggewaltigen Höhepunkt dieses außergewöhnlichen Konzerts markierend.

Ein letztes doppelchöriges Werk von Johannes Brahms "Unsere Väter hoffen auch dich", dieses Mal wieder mit Bettina Kartak, sorgte dann für einen eher altväterlich-trutzigen Ausklang in der Schlosskirche zu Bad Mergentheim.

Thomas Hess

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